Am Samstag, den 23. August 2014, wurde in der Halskestraße 72 in Billwerder-Moorfleet eine Gedenktafel aufgestellt. Im Rahmen einer Kundgebung erinnerten antirassistischer und antifaschistischer Gruppen an Anh Lân Dô und Ngoc Chau Nguyên, Opfer eines rassistischen Brandanschlages vor 34 Jahren.
Im Folgenden der Wortlaut der Tafel:
„Zum Gedenken an Ngoc Chau Nguyên und Anh Lân Dô
Opfer eines rassistischen Brandanschlages am 22. August 1980 auf das damalige Flüchtlingsheim in der Halskestraße.
In der Nacht vom 21. auf den 22. August 1980 verübten Mitglieder der terroristischen Neonazigruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ einen Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft, die sich damals hier in der Halskestraße 72 befand. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Unterkunft ca. 240 Menschen untergebracht. Die Brandsätze trafen das Zimmer von Ngoc Chau Nguyên und Anh Lân Dô. Ngoc Chau Nguyên starb am Morgen nach dem Anschlag. Neun Tage später starb auch Anh Lân Dô an seinen schweren Brandverletzungen.
34 Jahre lang erinnerte nichts an diesem Ort an den Anschlag und die Ermordeten. Diese Tafel wurde im Rahmen einer Gedenkveranstaltung am 23. August 2014 aufgestellt. Sie steht für die Forderung nach einem würdigen Gedenken.
‚Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab und stellen uns fremd. ‚ (Christa Wolf)“
Neben Fotos sind auf der Tafel auch die Lebensdaten der beiden Ermordeten dokumentiert:
„Ngoc Chau Nguyên, geb. 26.7.1958, gest. 22.8.1980, Lehrer, geboren in Saigon, kam im April 1980 mit der Cap Anamur nach Hamburg.“
„Anh Lân Dô, geb. 10.3.1962, gest. 31.8.1980, Schüler, geboren in Cholon/Saigon, kam im Rahmen einer humanitären Hilfsaktion nach Hamburg.“
Circa 60 Menschen nahmen an der Kundgebung teil. Es sprach zunächst ein Vertreter der Veranstaltungsgruppe und erläuterte die Gründe für heutige Veranstaltung in der Halskestraße:
„Die Idee zu dieser Gedenkkundgebung entwickelte sich aus der Veranstaltungsreihe: „Vom rassistischen Normalzustand zum Nationalsozialistischen Untergrund“ heraus, die im September letzten Jahres startete und mittlerweile fast 20 Veranstaltungen rund um den Themenkomplex NSU hervorgebracht hat. Dabei entstand in der Vorbereitungsgruppe eine Dynamik, die uns von den eher überblicksartigen Veranstaltungen am Anfang später zu detaillierteren Fragestellungen führte und schließlich immer mehr die Frage des öffentlichen Gedenkens in den Blick nahm. … In Hamburg wurde häufig so getan, als wäre der Mord an Süleyman Taşköprü der erste rassistisch motivierte und von Nazis verübte Mord gewesen. In dem Bemühen, dieser Darstellung etwas entgegenzusetzen, stießen wir schließlich auch wieder auf den Anschlag hier in der Halskestraße. Die Überzeugung von der Notwendigkeit, diesem Ort seine Geschichte wieder vor Augen zu führen, das Verbrechen sichtbar zu machen und an die Opfer zu erinnern, wuchs sehr schnell.“
Der freie Journalist Frank Keil, der mit seinem Artikel in der Zeit, „Der blanke Hass“, die tragische Geschichte von Anh Lân Dô und Ngoc Chau Nguyên wieder ins Jetzt gerückt hat, sprach ebenfalls.
Im nächsten Redebeitrag erinnerte eine der Initiator_innen an weitere 6 Anschläge der terroristischen Neonazigruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ um Manfred Roeder, unter anderem an den Bombenanschlag auf die Schule am Bullenhuser Damm am 27.4.1980.
Ein damaliger Bewohner des Flüchtlingswohnheimes sprach in einer kurzen Rede über die Unmöglichkeit, das Erlebte zu vergessen. Zum Abschluss der Kundgebung führte er die Teilnehmer_innen auf die Rückseite des heutigen Hotels und zeigte ihnen das Fenster, in das in der Nacht auf den 22.8.1980 die Brandsätze geschleudert wurden.
Zuvor waren von den Versammelten an der aus Anlass des 34. Jahrestages des Anschlages aufgestellten Gedenktafel Blumen niedergelegt worden.
Ünal Zeran, ein Vertreter der Ramazan Avcı-Initiative, erinnerte in seinem Redebeitrag an eine Reihe weiterer Todesopfer des Rassismus in Hamburg und Norddeutschland und daran, dass das Erinnern an sie erkämpft werden muss. Er bekräftigte die Forderung nach einem dauerhaften und würdigen Gedenken an diesem Ort mit folgenden Sätzen:
„Wir wollen unsere Geschichte selbst bestimmen. Wir wollen keine institutionelle Erinnerungskultur etablieren, die jegliche Verantwortung von sich weist. Wir werden staatliche Institutionen nicht aus der Verantwortung für die Geschichte entlassen. Erinnern kann nur gemeinsam mit den Opfern rassistischer Taten und deren Familienangehörigen gelingen.
Heute bekunden wir noch einmal unsere Solidarität mit den Familien und Angehörigen aller ermordeten Migrant_innen und Opfern von Rassismus und Neofaschismus. Als erster sichtbarer Schritt ist die Gedenktafel anzusehen.“